Bernhard Letterhaus wurde des Hochverrats am NS-Regime bezichtigt: beteiligt am fehlgeschlagenen Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler. Als katholischer Gewerkschafter und Politiker kämpfte er für eine Staatsreform. Christlich und gerecht sollte sie sein.
Die Kirche reagierte auf das NS-Regime mit Obrigkeitsakzeptanz: „Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt“, Röm 13,1.
Ist das der Freibrief für den Hochverrat christlicher Werte? Letterhaus folgte seinem Gewissen. Er hat keinen verraten, weder seine Werte noch seine Kameraden und Mitstreiter: persönliche Entscheidungen treffen und konsequent leben bis zum Preis des Lebens. Mit dem Leben bezahlen reichte dem NS-Regime nicht. Letterhaus starb mit der Gewissheit, dass seine Familie seine Wahl nach seinem Tod mitzutragen hatte. Ein Katholik im Erbe von Papst Leo XIII. (Amtszeit 1878-1903):
„Wo Recht zu Unrecht wird,
wird Widerstand zur Pflicht,
Gehorsam aber Verbrechen.“
Papst Leo XIII.
Im Handwerk groß geworden, war Bernhard Letterhaus führend in der konfessionellen Arbeiterbewegung. Er engagierte sich für die Rechte und Würde des Arbeiters, seinen Anspruch auf angemessenes Auskommen, gesellschaftliche und politische Teilhabe. Letterhaus vereinte „Don Camillo und Peppone“ in Person: Christliches Weltverständnis umspannte seine sozialistischen Ideen.
1928 formulierte er seine Wirtschaftskritik. Sie greift gesellschaftspolitisch erst Jahrzehnte später und trifft auch heute auf den Punkt:
„Wir, die wir selbst als Christen Stellung nehmen zur Wirtschaft überhaupt, sehen, daß diese heute weitgehend ihren Sinn verloren hat. Der Verdienstgedanke überschattet den Dienstgedanken. Eine katholische Arbeiterbewegung, die die Freiheit und Gleichberechtigung der Lohnarbeiterschicht will, deren Ziel es ist, die Standwerdung der Arbeiterschaft zu erreichen, muß danach streben, der ganzen Wirtschaft wieder einen Sinn zu geben, in ihr die Dienstidee am Menschen durchzusetzen.
Der Weg dahin führt über ein Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsrecht im Betrieb und in der Wirtschaft. Voraussetzung für dieses Mitbestimmungsrecht ist die Durchleuchtung der Wirtschaft. Heute stehen die Lohnarbeiter trotz ihrer körperlichen Anwesenheit im Betrieb noch außerhalb des Werkens.“
Auszug seiner Rede im Kölner Gürzenich im Juli 1928 anlässlich des Gründungskongresses der Kath. Arbeiter-Internationale
Weitsicht
Vor dem Wahlsieg der NSDAP warnte er öffentlich im September 1930 auf dem Katholikentag in Münster:
„Falsche Propheten mit einem Kreuz auf der Fahne, das aber nicht das Zeichen des Welterlösers ist, ziehen durch Städte und Dörfer. Sie verwüsten die Herzen des leidenden Volkes.“
„Stichflamme“ gibt Funken weiter
Seine Freunde gaben ihm den Spitznamen „Stichflamme“: Die politischen Missstände in der Weimarer Republik brachten Letterhaus in Rage. Vehement und eindringlich waren seine Reden. Im Juni 1932 sagte er im Preußische Landtag über die Nationalsozialisten:
„Sie wollen bewusst keine Partei, wollen nicht Teil sein, sondern sie wollen herrschen.“ (…)
„Niemand weiß von uns, wie lange noch Gelegenheit geboten ist, frei vor der Nation zu reden.“
Seine Prophezeiung ereilte ihn ein halbes Jahr später am 31. Januar 1933, kurz nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Schrittweise wurde er aller politischen Betätigungsmöglichkeiten enthoben. Umso aktiver stürzte er sich in die Verbandsarbeit. 1938 wurden der Arbeiterverband sowie sämtliche konfessionellen Arbeitervereine verboten.

Kirchenkritik
Letterhaus forderte die deutschen Bischöfe auf, ihre Stimmen zu erheben gegen die NS-Zwangsmaßnahmen, die katholischen Einrichtungen auferlegt wurden. Er kritisierte das 1933 zwischen Vatikan und NS-Regierung geschlossene Reichskonkordat „als Stabilisierung des NS-Regimes von außen“.
Letterhaus schloss sich Widerstandsbewegungen in Köln und Berlin an.
Im Gefängnis soll er zu einem Mitgefangen, zwei Tage vor seiner Hinrichtung, gesagt haben:
„Die Welt kann nur gerettet werden, wenn im Kleinen und Großen Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe herrschen.“